Legendär: Seebeck am Markt

NZ 30.10.2004

Petticoats, pomadige Presleytollen, Rock ’n’ Roll und Tanz- und Beatmusik von Hand gemacht: „Seebeck am Markt“, liebevoll auch „Hein Wuppdi“ genannt, hat ganze Teenagergenerationen geprägt.
Es war der größte Saalbau in der Stadt und bis zu seinem Abriss der absolut angesagte Treffpunkt der Jugendlichen. Um 1850 von Friedrich Siebke in Höhe des heutigen Hauses Nr. 14 erbaut, beherbergte das Hotel zunächst Menschen und Pferde. An Markttagen lief für Siebke das Geschäft besonders gut. Unter dem dritten Wirt, dem Postkutscher Hinrich Seebeck, wurde das
„Hotel Stadt Lehe“ dann zum legendären „Seebeck am Markt“. Seebeck verwandelt sein Hotel in einen Tanzschuppen mit überdimensionalen Kristallspiegeln und Wasserfontänen, die Ende der „Roaring 20’s“ immer mehr Menschen anlockte. Nicht nur Tänzer fanden sich ein: während sich im Erdgeschoss die SPD-Kampfgruppe „Reichsbanner“ traf, waren im oberen Stockwerk Mitglieder der Nazi-Ortsgruppe Bremerhaven Stammgäste. Als das Lokal nach dem Krieg 1950 wieder eröffnet wurde, war jedoch zeitgemäße Tanzmusik angesagt. Auf den Plattentellern des Lokals drehten sich die Hits von Elvis Presley, später von den Beatles und den Rolling Stones. Und natürlich gab es auch Bremerhavener Livemusik: Lord Ulli, Sänger der später berühmten deutschen Beatgruppe „The Lords“, war hier ebenso live zu hören wie die Lokalgrößen Woody
Derichs, der „singende Barkeeper“, George B. Miller und Emil Hader. „Es war immer super, immer voll“, erinnert sich die Leherin Brunhilde Butzkus.
Die Gelegenheit, beim an jedem 2. Sonntag im Oktober stattfindenden nostalgischen Frühschoppen teilzunehmen, hat sie bereits dreimal erfolgreich ergriffen: so stach sie mit „Buona Sera“ vor der Jahren ihre Konkurrenten aus und nahm den Pokal in Empfang. Die Erinnerungsparties findet sie toll und will auch keinen versäumen – im Gegensatz zu den Zeiten, in denen das „Seebeck“ noch real existierte: „Das konnte man sich nicht an jedem Wochenende leisten, das war dann zu teuer.“ Wolfgang Lüchau, ebenfalls einer der „alten“ Gäste, erinnert sich: „Ich habe als Lehrling 30 Mark im Monat verdient, da war eine Mark Eintritt schon ganz schön teuer.“ Dennoch ist er, wann immer es ging, mit seiner Zündapp von Langen nach Lehe gefahren.
Streng waren die Sitten damals: „Vorne wurde gerufen: Achtung, Sperrstunde, Polizei, und dann sind wir hinten aus den Toilettenfenstern raus“, lacht Lüchau. Und noch heute schmunzelt er über die Angeber, die mit dem Autoschlüssel klimperten: „Und dann haben sie vergessen, von ihrem Hosenbein die Fahrradklammern abzumachen.“ Pba