Twisten und Rocken wie einst

NZ 14.11.2000

1300 Gäste beim „Seebeck-am-Markt-Frühschoppen“ im Columbusbahnhof


1300 „Halbstarke“ von einst waren am Sonntag in den Columbusbahnhof gekommen und feierten den „Seebeck-am-Markt-Frühschoppen“. Etwas Zeit zum Warmspielen ließen die Gäste der Band „Splish Splash“ am frühen Morgen, doch nach den ersten Rock 'n' Roll-Stücken gab es kein Halten mehr.
Auf der Tanzfläche trafen die graumelierten Herren ihre junggebliebenen Damen, und zeigten den jugendlichen Gästen unter 40 Jahren, dass sie nichts von dem verlernt haben, was damals im Kult-Lokal zum guten Ton gehörte: Twisten, Rocken und Jiven was die Beine hergeben nämlich.
Um den „guten Ton“ bemühten sich auch die Teilnehmer des Sängerwettstreits, der traditionell zum Frühschoppen bei „Seebeck am Markt“ dazugehört. Sieben Lokalmatadoren stellten sich den kritischen Ohren des Publikums und der fünfköpfigen Jury.
Mit „Mecki war ein Seemann“ und „Buena sera“ brachte Brunhilde Lüchau die Stimmung im Saal zum Kochen und setzte sich vor Martin Klinge und Uli Keller an die Spitze der stimmgewaltigen Teilnehmer. Nachdem Moderator Günter Kocken der quirligen Gewinnerin den Siegerpokal überreicht hatte, erfüllte sie den lautstark geäußerten Wunsch des Publikums und bedankte sich mit „Ich will keine Schokolade“ in gelungener Trude-Heer-Manier für die Wahl.
Brunhilde Lüchau gewann den Sängerwettstreit im Columbusbahnhof und bedankte sich mit einer Zugabe beim Publikum.
„Seebeck am Markt“ das ist Rock 'n' Roll, Twist, Elvis-Tolle und Live-Musik. Kaum ein Bremerhavener, der nicht in den 50er und 60er Jahren zum Tanzen in das Kult-Lokal ging. Und auch heute noch zieht „Seebeck am Markt“ die Gäste von damals in seinen Bann.

Als Jeans Nietenhosen hießen

NZ 08.08.2000

Seebeck am Markt“ vor 50 Jahren wiedereröffnet Wie besessen getanzt


Lehe. Als Bluejeans noch Nietenhosen“ hießen, gab es für Bremerhavens Rock-n'-Roll-Fans nur eine Adresse: Elvis Presleys Propheten trafen sich bei Seebeck am Markt“. Mädchen mit Petticoats und Jungen mit Zuckerwasser-Tolle wie ihr Idol Elvis wirbelten über die Tanzfläche nach der Neueröffnung vor jetzt 50 Jahren.
Im August 1950 wurde in Bremerhaven eine Legende geboren, die älter ist als die des 1989 geschlossenen Wally“ in der Alten Bürger“. Wie das frühere Wally“ in Bremerhavens Szene-Meile war auch Seebeck“ eine Generation früher Treffpunkt Nr. 1 für wahre Fans. Die schwärmten vor 50 Jahren für Bill Haley und Elvis Presley. Und so fanden die Fans der frühen Rock-n-Roll-Jahre ihren Treffpunkt: Seebeck“ am Leher Markt war damals Bremerhavens größter Saalbau und der Knüller überhaupt.
Hein Wuppdi“ wurde der Treffpunkt liebevoll genannt, jener 1950 wieder eröffnete Altbau, der 100 Jahre zuvor kurz nach Gründung der Stadt Menschen und Pferde beherbergt hatte. Friedrich Siebke hatte das Hotel am Leher Markt erbaut und damit hervorragende Geschäfte vor allem an den Markttagen im Flecken Lehe“ getätigt, die es schon vor Bremerhavens Stadtgründung gab.
Hotel Stadt Lehe“ hieß das Gebäude unter seinem zweiten Wirt. Der dritte, Hinrich Seebeck, ein ehemaliger Postkutscher, war so populär, dass der Volksmund das Hotel umtaufte: erst inoffiziell, dann öffentlich hieß das Haus Seebeck am Markt“.
Wand aus Kristallspiegeln
Seebeck witterte und fand das ganz große Geschäft, als er das Hotel in einen Tanzpalast verwandelte. Eine gewaltige Wand aus Kristallspiegeln, in denen sich die Tanzenden beobachten konnten, sowie Wasserfontänen im Foyer begeisterten immer mehr Gäste.
Bald fanden sich auch politisch orientierte Gäste unterschiedlicher Art ein. Freiheit“ rief die sozialdemokratisch orientierte Kampfgruppe des Reichsbanners“ mit erhobener Faust im großen Saal des Erdgeschosses, während zeitgleich aus den oberen Räumen Heil Hitler“-Rufe ertönten. Bremerhavens erste Nazi-Ortsgruppe gehörte ebenfalls zu den Seebeck“-Gästen.
Als Elvis Presley am 1. Oktober 1958 vom US-amerikanischen Truppentransporter General G. M. Randall“ in Bremerhaven an Land ging, flippten nicht nur die Fans am Kai aus. Sie tanzten wie besessen bei Hein Wuppdi“.
Auch, als die Beatles und die Rolling Stones kamen. Nicht die Kult-Bands, aber ihre Tonträger ließen zusammen mit Elvis Presley, Bill Haley und anderen Rock-Größen mehr als eine Million Mal den metallenen Tonarm des Plattentellers kreisen und mit ihm kreisten die Fans auf der Tanzfläche.
Oft gab es auch Live-Musik Made in Bremerhaven“. Elvis-Imitatoren fanden bei Seebeck am Markt“ ihr öffentliches Publikum und ernteten frenetischen Applaus. Uli, einer der späteren Lords“, jener populären deutschen Rockgruppe der 60er Jahre, trat hier ebenso auf wie Linda: Die hatte in den 50er Jahren den damals ungeheuren Mut, in schwarzer Nietenhose für jene Zeit enorm frech bei Hein Wuppdi“ aufzutreten.
In Jeans bei Hein Wuppdi“
Was Eltern vor 50 Jahren zähneknirschend duldeten ihre Kinder in Nietenhosen bei Hein Wuppdi“ ist längst Legende: Nachdem die Stadt 1965 das Gebäude erwarb und es kurz danach abreißen ließ, erinnert nur noch der Film Am Tag, als Elvis nach Bremerhaven kam“ und manche persönliche Erinnerung an Hein Wuppdi“ und Seebeck am Markt“. akr