Zurück in die 50er und 60er Jahre

NZ 11.10.2004

Sängerwettstreit Seebeck am Markt: Elvis-Interpret Martin Klinge gewinnt im Columbusbahnhof auch ohne Hüftschwung


Bremerhaven (aw). Rund 1000 Musikfans erweckten gestern die ehemalige Kneipe „Seebeck am Markt“ vorübergehend zu neuem Leben. Mit Liedern aus den 50er und 60er Jahren traten im Columbusbahnhof elf Teilnehmer zum inzwischen siebten Sängerwettstreit an. Am Ende wählten Publikum und Jury den Elvis-Interpreten Martin Klinge auf Platz eins.

Eine dichte Wolke aus Zigarettenrauch hängt über dem großen Saal im Columbusbahnhof. Gespannt wartet das Publikum auf den Beginn des siebten Sängerwettstreits, während sich die Begleitband „Splish Splash“ schon einmal warm spielt. „Erstaunlich, dass an einem Sonntagmorgen überhaupt wieder so viele Leute hier sind“, findet Organisator George B. Miller und freut sich.
Dann geht es los. Das begeisterte Klatschen von 2000 Händen begleitet Brunhilde Lüchau auf die Bühne, wo sie locker swingend „Quando, Quando“ von Catarina Valente vorträgt. In einiger Entfernung sitzt ein Elvis-Double an einem Tisch und beobachtet kritisch das Geschehen. Ganz in schwarz gekleidet schaut der Mann mit den langen Koteletten und der fransigen Nietenjacke kurz nach vorne, um sich dann sofort wieder seinem Bier zu widmen.
Erst der vierte Auftritt findet das Wohlwollen des offenkundigen Elvis-Fans, reißt ihn gar von seinem Stuhl: Hinter dem Mikrofon steht jetzt Martin Klinge und singt „His latest flame“ – natürlich von Elvis „the pelvis“. Tatsächlich kommt die Stimme des Bremerhaveners dem Original recht nahe, lediglich am berühmten Hüftschwung hapert es. Das stört jedoch den Mann im Publikum, der im „echten“ Leben Heinz Linz heißt, nicht weiter: „Das ist mein absoluter Favorit. Er müsste sich vielleicht noch etwas mehr wie Elvis geben, aber die Stimme ist schon echt gut“, meint der 53-Jährige.
Bei den übrigen Musikfans sammelt Klinge Punkte, indem er die Stimmung aufheizt. Auch bei Jury-Mitglied und Bürgermeister Michael Teiser (CDU) liegt er gut im Rennen – die persönliche Nummer eins des Kämmerers ist nach dem ersten Durchgang allerdings Marco Oltmanns, der „Massachusetts“ von den Bee Gees singt: „Bei diesem Lied habe ich meine Frau kennen gelernt, insofern hat der Sänger für mich natürlich schon zwei Punkte Vorsprung.“
Einige der Damen fallen neben gutem Gesang auch durch extravagante Kleidung auf, so zum Beispiel Anja Hopf mit einem bordeauxroten Abendkleid oder Ann-Kristin Riemann mit einem Rock im 50er-Jahre-Stil. Am Ende gewinnt jedoch ein Mann: Martin Klinge setzt sich bei Publikum und Jury durch und kann nach mehreren Anläufen endlich den Siegerpokal mit nach Hause nehmen.

"Latest flame" springt über

Artikel des SJ vom 17.10.2004

Martin Klinge siegt bei "Seebeck am Markt"

Bremerhaven (löw). Elvis lebt - zumindest

in den Herzen und der Stimme der drei Sieger

des Sängerwettstreits bei "Seebeck am Markt".

Martin Klinge, Michael Schubert und Guido Weber

hatten sich mit Elvis-Songs bei Jury und Publikum

ganz oben aufs Siegertreppchen gesungen.

 

 Zum siebten Mal wurde am vergangenen Sonntag Bremerhavens legendärer "Rockschuppen" in Lehe wieder zu Leben erweckt. Mehr als 1500 Gäste feierten

am frühen Sonntagmorgen "ihre" Musik und erinnerten sich an die wilden Jahre

der "Halbstarken" in der Seestadt. Elf Interpreten "kämften" auf der Bühne um

die Gunst des Publikums, so präsentierte die erst 18-jährige Ina Nienburg den

Gästen gekonnt Trude Heers "Ich will keine Schokolade". Einen der ersten

Plätze konnte sie damit allerdings nicht belegen, denn dort machte Elvis das

Rennen. Mit "His latest flame" überzeugte Martin Klinge das Publikum. Bereits

zum fünften Mal war Klinge beim Sängerwettstreit dabei. Nun konnte er zum

ersten Mal den Siegerpokal in Empfang nehmen.

 

Legendär: Seebeck am Markt

NZ 30.10.2004

Petticoats, pomadige Presleytollen, Rock ’n’ Roll und Tanz- und Beatmusik von Hand gemacht: „Seebeck am Markt“, liebevoll auch „Hein Wuppdi“ genannt, hat ganze Teenagergenerationen geprägt.
Es war der größte Saalbau in der Stadt und bis zu seinem Abriss der absolut angesagte Treffpunkt der Jugendlichen. Um 1850 von Friedrich Siebke in Höhe des heutigen Hauses Nr. 14 erbaut, beherbergte das Hotel zunächst Menschen und Pferde. An Markttagen lief für Siebke das Geschäft besonders gut. Unter dem dritten Wirt, dem Postkutscher Hinrich Seebeck, wurde das
„Hotel Stadt Lehe“ dann zum legendären „Seebeck am Markt“. Seebeck verwandelt sein Hotel in einen Tanzschuppen mit überdimensionalen Kristallspiegeln und Wasserfontänen, die Ende der „Roaring 20’s“ immer mehr Menschen anlockte. Nicht nur Tänzer fanden sich ein: während sich im Erdgeschoss die SPD-Kampfgruppe „Reichsbanner“ traf, waren im oberen Stockwerk Mitglieder der Nazi-Ortsgruppe Bremerhaven Stammgäste. Als das Lokal nach dem Krieg 1950 wieder eröffnet wurde, war jedoch zeitgemäße Tanzmusik angesagt. Auf den Plattentellern des Lokals drehten sich die Hits von Elvis Presley, später von den Beatles und den Rolling Stones. Und natürlich gab es auch Bremerhavener Livemusik: Lord Ulli, Sänger der später berühmten deutschen Beatgruppe „The Lords“, war hier ebenso live zu hören wie die Lokalgrößen Woody
Derichs, der „singende Barkeeper“, George B. Miller und Emil Hader. „Es war immer super, immer voll“, erinnert sich die Leherin Brunhilde Butzkus.
Die Gelegenheit, beim an jedem 2. Sonntag im Oktober stattfindenden nostalgischen Frühschoppen teilzunehmen, hat sie bereits dreimal erfolgreich ergriffen: so stach sie mit „Buona Sera“ vor der Jahren ihre Konkurrenten aus und nahm den Pokal in Empfang. Die Erinnerungsparties findet sie toll und will auch keinen versäumen – im Gegensatz zu den Zeiten, in denen das „Seebeck“ noch real existierte: „Das konnte man sich nicht an jedem Wochenende leisten, das war dann zu teuer.“ Wolfgang Lüchau, ebenfalls einer der „alten“ Gäste, erinnert sich: „Ich habe als Lehrling 30 Mark im Monat verdient, da war eine Mark Eintritt schon ganz schön teuer.“ Dennoch ist er, wann immer es ging, mit seiner Zündapp von Langen nach Lehe gefahren.
Streng waren die Sitten damals: „Vorne wurde gerufen: Achtung, Sperrstunde, Polizei, und dann sind wir hinten aus den Toilettenfenstern raus“, lacht Lüchau. Und noch heute schmunzelt er über die Angeber, die mit dem Autoschlüssel klimperten: „Und dann haben sie vergessen, von ihrem Hosenbein die Fahrradklammern abzumachen.“ Pba