Die Kür des King of Rock’n’Roll

Sängerwettstreit im Columbusbahnhof

NZ 13.10.2003

An die letzten Jahre des Seebeck am Markt kann George B. Miller sich noch erinnern. „Das war die Geburtsstätte des Rock’n’Roll, den die Amerikaner nach Bremerhaven gebracht haben“, sagt der Musiker. 40 Jahre ist das her – die Musikkneipe ist längst verschwunden. Aber einmal im Jahr wird gefeiert wie damals.
Der Ort: die alte Wartehalle im Columbusbahnhof, fast so gut wie das Original am Leher Markt. „Elvis ist hier gelandet“, erinnert Miller und nickt mit dem Kopf in Richtung Kaje, die der Gefreite Presley 1958 in Militärstiefeln betrat. Draußen tanzen die Schlepper um einen großen Autotransporter, der aus der Nordschleuse kommt – drinnen ist die Zeit stehen geblieben.
Elvis oder Beach Boys
Musik aus den 50er und 60er Jahren: Das ist die Bedingung, die Miller den Teilnehmern am Sängerwettstreit Seebeck am Markt stellt. Elvis Presley oder Otis Redding, Beatles oder Beach Boys, Johnny Ray oder Wilson Pickett. Zum sechsten Mal treten die Amateur-Rock’n’Roller gegeneinander an – singende Hausfrauen gegen Freizeitmusiker, Teenager von heute gegen die von damals. „Und ich bin immer wieder angenehm überrascht, wie gut die das können“, sagt Miller anerkennend.
Razzia-Nostalgie
„Marie, Marie“, „Pretty Belinda“, „Yes tonite, Josephine“ – die Musik von damals reißt das Publikum noch heute von den Sitzen. „Das ist doch was anderes als diese moderne Computermusik“, schreit Stefan Fleischhauer gegen den Lärm an. Als Teenager hat er sich damals auch ins Seebeck am Markt geschlichen – um flugs durchs Fenster zu türmen, wenn die Polizei eine ihrer berüchtigten Razzien veranstaltete. „Spätestens am nächsten Abend waren wir aber wieder drin“, sagt er und grinst noch heute triumphierend.
Die gestrenge Jury vorne in der ersten Reihe macht sich Notizen. „Eigentlich war das Seebeck ja ein total vermuffter Laden“, erinnert sich Hans-Richard Wenzel, scheidender Stadtverordneter der Grünen. „Aber so war die Zeit: Vater saß im Unterhemd in der Küche und maulte: ,Mach diese Niggermusik aus‘.“ Ein Grund mehr, sich Milch in die Haare zu schmieren und ins Seebeck zu gehen.
Am Ende steht auf den Stimmzetteln von Jury und Publikum ein Name ganz oben: Stefan Weiß, Beamter in der Bremer Finanzbehörde und Nebenerwerbs-DJ. Der 34-jährige Loxstedter kennt das Seebeck nur noch vom Hörensagen. Aber als Shakin’ Stevens in den 80er Jahren den Rock’n’Roll wiederbelebte, war Stefan Weiß dabei: „Ich habe sämtliche Platten von ihm gekauft, alles über ihn in der ,Bravo‘ gelesen und seine Posen einstudiert“, verrät er.
Klassisch wie der Walzer
Inzwischen bildet die Shakin’-Stevens-Nummer einen festen Bestandteil aller Partys und Hochzeitsfeiern, bei denen Weiß die Musik macht. Der Rock’n’Roll – das ist zwar lange her, aber gerade deshalb ein Klassiker, „wie der Wiener Walzer“, sagt Weiß.
Nächstes Jahr will er seinen Titel auf jeden Fall verteidigen. „Ich arbeite gerade an einem Elvis-Presley-Medley“, verrät er. Ein Jahr lang hat die Konkurrenz also Zeit, im Becken und in den Knien so gelenkig zu werden wie Bremerhavens neuer King of Rock’n’Roll. cb

Sängerwettstreit im Columbusbahnhof

NZ 13.10.2003

Bremerhaven. „Wie damals bei Seebeck am Markt“ ging es gestern im Columbusbahnhof zu: Ein Sängerwettstreit sollte an die Zeiten des längst verschwundenen Rock’n’Roll-Schuppens am Leher Markt erinnern.

Sängerwettstreit „Seebeck am Markt“

NZ 10.10.2003

Der sechste Frühschoppen mit Sängerwettstreit „Seebeck am Markt“ findet am Sonntag ab 10 Uhr im Columbusbahnhof statt. Zwölf Sänger stellen sich dem Urteil einer Jury, auch das Publikum darf mit abstimmen. Begleitet werden die Sänger von den Oldie-Spezialisten Splish Splash. Die Eintrittskarte dient auch als Busfahrkarte in der ganzen Stadt. Für Kinder wird eine Spielecke eingerichtet. Informationen: 46878.